Kein Kohlekraftwerk in Dörpen!

die Projektgruppe BKW FBM Energie AG/Advanced Power AG hat in der vergangenen Woche nun auch offiziell angekündigt, ein 900 MW-Steinkohlekraftwerk in der Gemeinde Dörpen bauen zu wollen.

Bisher bekannte Eckdaten für das Kraftwerk in Dörpen:

  • Geplanter Baubeginn: Mitte 2009
  • Geplante Inbetriebnahme: 2013
  • Beginn Genehmigungsverfahren: Ende Juni 2007
  • Leistung: 900 MW
  • Investitionsvolumen: ca. 1 Mrd. Euro
  • Energieträger: Import-Steinkohle
  • Wirkungsgrad (lt. Betreiber): 46 %
  • Geplante Laufzeit: 40 Jahre
  • Kühlturmhöhe: 150 Meter (Vergleich AKW Lingen II: 160 Meter)
  • Betriebsgelände: 35 ha
  • Arbeitsplätze (lt. Betreiber): 200
  • Abwärmenutzung: Noch in Verhandlung, evtl. Nordland Papier AG
  • Angaben über zu erwartende Schadstoffbelastung etc. sind Bestandteil des Genehmigungsverfahrens, somit liegen z.Zt. noch keine Angaben vor.

Die Betreiber

Die BKW FBM Energie AG mit Sitz in der Schweiz ist ein europaweit tätiger Anbieter von Gewerbestrom. BKW ist spezialisiert auf Großkunden mit einer Mindestleistung von 5 GWh/Jahr. Im deutschen Marktbereich wurden 2006 24 TWh Strom an die Kunden gebracht. Derzeit werden (laut Eigendarstellung) 53 % des Stroms aus fossilen Quellen (Kohle, Gas) gewonnen, 25 % aus Atomenergie und 22 % aus alternativen Energien. Die Kraftwerke befinden sich hauptsächlich in der Schweiz, im alternativen Bereich setzt das Unternehmen hauptsächlich auf die in der Schweiz sehr effektive Wasserkraft. Zudem betreibt BKW FBM das größte gebäudeintegrierte Sonnenkraftwerk der Welt (auf dem Dach des "Stade de Suisse" in Bern).

Mehr zum Unternehmen (deutscher Marktbereich): www.bkw-energie.de

Die Advanced AG ist ein Schweizer Mischkonzern, der sich mit seiner Sparte "Advanced Power AG" bislang vorrangig in Bereich der Netzplanung und des Leitungsbaus einen Namen gemacht hat. Eine Kooperation mit der BKW FBM AG wurde erstmals beim Bau des Gaskombikraftwerks in Bochholt (Westfalen) eingegangen. In Dörpen will sich das Unternehmen erstmals am Betrieb eines Kohlekraftwerks beteiligen.

Vergleichbare Anlagen

Derzeit geplante oder gebaute Anlagen in der Größenordnung von 900 MW (u.a. EON, RWE, Vattenfall) verursachen durchschnittlich einen jährlichen CO2-Ausstoß von 4,5 bis 5 Mio. t. Geringerer C02-Ausstoß führt zu geringeren Wirkungsgraden und verteuert somit den Strom. Da der Betreiber auf das heftig umkämpfte Großkundengeschäft setzt, ist kaum zu erwarten, dass hier besonders innovative Techniken eingesetzt werden und das Kraftwerk somit im Schnitt der deutschen Kohlekraftwerksneubauten (also 450-500 t/Jahr C02) liegen wird. Mit einem Wirkungsgrad von 46 % entspricht das Kraftwerk dem Durchschnitt der deutschen Steinkohlekraftwerksneubauten.

Mit 900 MW Leistung befindet sich das geplante Kraftwerk im oberen Mittelfeld der derzeit in Deutschland geplanten und gebauten Kraftwerke (die Mehrzeit der Kraftwerksprojekte liegt im Bereich von 500 bis 1.000 MW).

Mehr zu Vergleichsanlagen:

http://vorort.bund.net/klimaschutz/publikationen/publikationen_80/files/2573_uebersichtkohleneu.pdf

Situation Kohlekraftwerkspläne in Deutschland

Ende 2006 waren laut BUND 27 Kohlekraftwerke in Deutschland in Planung bzw. im Genehmigungsverfahren, darunter vier Braunkohlekraftwerke. Die Gesamtleistung der geplanten Kraftwerke beträgt (nach variierenden Angaben) zwischen 26.000 und 40.000 MW, die Regellaufzeit liegt bei 40 Jahren. Bei 26.000 MW Leistung ergibt sich ein jährlicher CO2-Ausstoß von ca. 150 Mio. Tonnen/Jahr.

Dazu Reinhard Bütikofer (April 2007):

"Nach einer aktuellen Übersicht des BUND befinden sich derzeit 27 neue Kohlekraftwerke in Deutschland im Bau oder in Planung, von denen bis zu vier die besonders klimaschädliche Braunkohle verbrennen sollen. Ein Neubau von Kohlekraftwerken sei jedoch so lange klimapolitisch nicht verantwortbar, "wie die Abscheidung und Speicherung der entstehenden CO2-Gase eine technologische Hoffnung bleibt und noch nicht realisierbar ist", erklärte Bütikofer.

Wer heute noch in konventionelle Kohlekraftwerke investiert, festige für viele Jahre eine Energieerzeugungsstruktur, die höheren Schaden anrichtet als der gesamte Automobilverkehr. "Es ist besonders heuchlerisch, wenn die Atomlobby und ihre politischen Freunde in verschiedenen Parteien den Ausstieg aus dem Atomausstieg fordern, weil der angeblich dem Klimaschutz nütze, während dieselben Akteure zu der für das Klima verheerenden Neubauwelle von Kohlekraftwerken kein kritisches Wort finden", kritisierte der Bundesvorsitzende.

Die drei wichtigsten Argumente der Befürworter

"Aufgrund des Atomausstiegs ist die Energieversorgung ohne Kohlekraft nicht gesichert"

Hauptargument der Befürworter ist die angebliche Versorgungslücke, die sich durch den Abbau der Atomkraft innerhalb von 30 Jahren und den angeblich nicht im gleichen Maße wachsenden Bereich der regenerativen Energien ergibt. Diese "Lücke" müsse durch fossile Energieträger geschlossen werden, so die Befürworter.

Der Anteil der Atomkraft am deutschen Gesamtenergiebedarf (Strom+ Heizen+ Kraftstoffe) lag 2005 bei 5,7 % (Quelle: Bundesverband Erneuerbare Energien). Zum Vergleich: Anteil Gas (Strom + Heizen) im selben Zeitraum 32,1 %, regenerative Energien 6,4 %.

Nach den derzeitigen Planungen werden bis 2015 AKW `s mit einer Gesamtleistung von 33 Mrd. KWh stillgelegt. Im gleichen Zeitraum hält etwa das "Wuppertal-Institut" einen Anstieg der Erneuerbaren Energien um 50 Mrd. KWh für realistisch. Die Versorgungssicherheit wäre damit (auch ohne Berücksichtigung des Faktors "Energieeinsparung") sichergestellt.

Zudem lässt sich die Versorgung vorübergehend durch eine Steigerung des weit weniger klimaschädigenden Energieträgers Gas abdecken. Investoren schrecken vor Investitionen in Gas aufgrund der höheren Kosten gegenüber der Kohleenergie und der Abhängigkeit vom Ausland ("Russland-Gas") jedoch zunehmend zurück.

Die Kohlekraftwerksbefürworter (u.a. Wirtschaftsminister Glos) berücksichtigen zudem in ihrer Prognose nicht den Faktor Energieeinsparung. Entsprechende Fachstudien sind sich jedoch einig, dass es auch ohne gravierende "Bewusstseinsänderungen" in der Bevölkerung aufgrund steigender Energiekosten zu technischen Entwicklungen kommt, die zwangsläufig zu geringeren Energieverbrauch führen werden.

Ein wichtiges Gegenargument ist zudem der Stromexportüberschuss: 2006 wurden 46,1 TWh importiert und 66 TWh exportiert. Somit ergibt sich ein Exportüberschuss von ca. 20 TWh/Jahr, der auch langfristig für den deutschen Bedarf eingesetzt werden könnte.

Ein letztes Argument (wenn auch nicht im unseren Sinne...) ist die große Anzahl im Bau oder im Genehmigungsverfahren befindlicher Kohlekraftwerke in Deutschland (siehe oben).

"Kohlekraft ist heute ein sauberer Energieträger"

Um Kohlekraftwerke "sauberer" zu machen, sind zwei Faktoren nötig:

  1. die Erhöhung des Wirkungsgrades,
  2. die CO2-Abscheidung.

zu a)

Der "Wirkungsgrad" eines Kraftwerks ergibt sich aus der Gesamtenergieproduktion abzüglich der Betriebsenergie. Neue Kohlekraftwerke haben in der Regel einen Wirkungsgrad von 45 bis 48 %.

Häufig werben die Kraftwerksbetreiber damit, dass ihre Anlage ein um 20 % verbesserten Wirkungsgrad aufweist und damit deutlich "sauberer" sei.

Die von den Befürwortern argumentierte Verbesserung des Wirkungsgrades ist nichts anderes als ein einfacher Rechentrick: Als Vergleichzahl für die Steigerung des Wirkungsgrades wird von den Betreibern der durchschnittliche Wirkungsgrad aller deutschen Kohlekraftwerke herangezogen. Dieser Durchschnittswert enthält jedoch eine Reihe von "Uralt-Anlagen", die den Durchschnitt zwangläufig nach unten drücken. Somit steht natürlich jedes neue Kohlekraftwerk mit einem deutlich verbesserten Wirkungsgrad da und kann als "sauber" verkauft werden.

zu b)

Derzeit geistert immer wieder das "saubere" Kohlekraftwerk durch die Medien. Dabei geht es um das Verfahren der sog. "CO2-Abscheidung", bei der CO2 herausgefiltert und endgelagert werden soll. Dieses Verfahren ist derzeit noch in der Entwicklung und (auch laut Prognose der Energiewirtschaft) frühestens 2020 marktreif. Zudem hat die CO2-Abscheidung eine ganz erhebliche Senkung des Wirkungsgrades (=mehr Betriebsenergie) zur Folge. Ungeklärt ist zudem die Frage, was mit dem abgeschiedenen CO2 geschehen soll (z.B. Ablagerung in ausgebeutete Erdgasfelder halten Umweltexperten für äußerst risikoreich). Fazit: Die Diskussion um "saubere Kohlekraft" ist zur Zeit noch völlig irrelevant. (Quelle: Büro Fell, energiepolitischer Sprecher bündnisgrüne Bundestagsfraktion).

"Das Kraftwerk schafft Arbeitsplätze"

200 Arbeitsplätze sind laut Betreiber in Dörpen vorgesehen. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein nicht geringer Teil der Beschäftigten hoch spezialisierte Techniker und Ingenieure sein werden, die auf dem emsländischen Arbeitsmarkt (in Ermangelung anderer Kohlekraftwerke in der Region) nicht verfügbar sind und somit von Außen angeworben werden müssen. Zudem muss berücksichtigt werden, inwieweit touristische Ambitionen im Emsland beeinträchtigt werden, wenn neben dem AKW Lingen ein weiteres, nicht gerade "tourismusförderndes" Kraftwerk im Emsland errichtet wird.

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