Fraktionsvorsitzender der Grünen Michael Fuest zum Haushalt 2017

„Sehr geehrter Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!

Wenn wir heute – so spät im Jahr wie noch nie – über den Haushalt 2017 entscheiden, müssen wir verschiedene Veränderungen und Unsicherheiten in der großen Politik und der Gesellschaft in den Blick nehmen: Obwohl es Deutschland – auch im internationalen Vergleich – äußerst gut geht und die Steuerquellen sprudeln, geht die Schere zwischen arm und reich in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander – eine gefährliche Entwicklung, deren Folgen wir – nicht zuletzt – auch bei den steigenden Kosten im Sozialetat des Stadt und des Landkreises erkennen. Auch wenn CDU-Landrat Winter das Emsland ständig als „Insel der Glückseligen“ lobt, er muss die immer steigenden Ausgaben im Sozialbereich als Warnsignal erkennen, genauso wie die Tatsache, dass die Beschäftigten im Emsland seit Jahren deutlich weniger in der Lohntüte haben als der Durchschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung.

Auch im Bereich der Gefährdung der Umwelt und des Klimas werden die Alarmzeichen immer deutlicher: Auch wenn in Paris im Dezember 2015 ein wichtiger Beschluss zum Klimaschutz gefasst wurde, die dringend notwenige Umsetzung fehlt überwiegend noch!!!

Und wie der frühere Umweltminister Remmers häufig sagte: Unser Auftrag ist: Global denken, lokal handeln!

Natürlich freuen wir uns, dass die Kreisumlage in diesem Jahr um 2 Punkte gesenkt wurde, aber die Kreisumlage ist immer noch zu hoch! Seit 15 Jahren entschuldet sich der Landkreis im großen Stil auf Kosten der Kommunen, die das viele Geld für den Kreishaushalt aufbringen müssen – so auch 2017!

Des Weiteren tragen wir natürlich ein hohes Risiko, wenn wir – wie geplant – die Haushalte 2017 und auch in den Folgejahren, mit einem strukturellen Defizit fahren und uns nur über Wasser halten können, weil wir Geld aus der Überschussrücklage nehmen können.

Wir auch weiterhin in diesem Jahr 2017 Kredite aufnehmen müssen.

Wir rechnen ungefähr mit 30 Mio. € Gewerbesteuer.

Natürlich kennen wir die Situation bei der Gewerbesteuer seit Jahren – eigentlich seit Jahrzehnten. Und die goldenen Zeiten, in denen es Gewerbesteuer von knapp 70 Mio gab, gehören schon lange der Vergangenheit an, aber es war ein bislang untypisches Vorgehen von Ihren, Frau Schwegmann, dass Sie im Rahmen der Haushaltsplanberatungen, die Summe von 32 Mio auf 30 Mio gesenkt haben. Eine Entscheidung aus Vorsicht, vielleicht eine richtige Entscheidung im Sinne von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

Mit diesem Haushalt verabschieden wir auch die finanziellen Grundlagen für verschiedene wichtige Aufgaben der Stadt: Sanierung und Ausbau der Infrastruktur ( Straßen, Brücken und Radwege), Unterkunft, Betreuung und Integration der Flüchtlinge und vieles mehr.

Zum Stichwort „Verkehr“ ein paar Anmerkungen: Wir werden nicht umhinkom-men, in den nächsten Jahren einen neuen Generalverkehrsplan in Auftrag zu geben, denn die Verkehrssituation in der Stadt hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Nicht zuletzt der Streit mit den Busunternehmern, die zu Stoßzeiten bestimme Haltestellen nicht mehr anfahren wollten, führt dazu, dass wir uns mit neuen Ideen zur Verkehrsführung beschäftigen müssen (z. B. Busspuren). Leider kommen die guten Pläne, die wir zum Zukunftsplan Lingen und zum Teilkonzept Radwege beschlossen haben, nur recht schleppend voran. Auch das Geld im Haushalt 2017 wird bei weitem nicht reichen! Gerade mit Blick auf veränderte Ziele für den Generalverkehrsplan müssen wir mehr dafür tun, um immer mehr Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, das Fahrrad oder den Lili-Bus zu nutzen.

Elektromobilität: Wir begrüßen es, dass die Mehrheit im Stadtrat unserem Antrag, einen Einstieg in den Bereich „Elektro-Autos“ gefolgt ist. Obwohl inzwischen auch die großen Autokonzerne diesen Bereich als ihre Zukunft sehen, stockt der Absatz in Deutschland – z. T. aus gut nachvollziehbaren Gründen.

Als öffentlicher Träger steht es Lingen gut an, seitens der Stadtverwaltung im Jahr 2017 einen ersten Schritt zu machen. – Ab sofort sollte vor der Anschaffung eines neuen Fahrzeuges immer geprüft werden, ob die Dienstfahrten durch Fahrräder, Lastenräder oder E-Bikes, erfolgen kann, bzw. ein anderes Mobilitäts-verhalten möglich ist (Zu Fuß gehen, ÖPNV Nutzung). Sollten keine Alternative zu einem KFZ bestehen, soll die Verwaltung prüfen, ob ein gleichwertiger Ersatz durch ein Fahrzeug mit E-Motor oder mindestens Hybrid-Motor möglich ist.

Im nächsten Jahr sollte dann die Verwaltung darstellen, in welchen weiteren städtischen Bereichen (z. B. Bauhof) der Einstieg in die Elektromobilität ökolo-gisch, betriebs- wie volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Für uns Grüne ein besonderer Wermutstropfen: Gerade in diesem Winter sind überall im Stadtgebiet viele Bäume gefällt worden, im privaten und öffentlichen Bereich! Dies darf so nicht weitergehen! – Gut dass die CDU unserem Antrag, 10.000 € mehr für Anpflanzungen von Bäumen, gefolgt ist.

Natürlich haben wir Grüne Schwierigkeiten, wenn 11 ha Wald im Norden der Stadt gerodet werden. Dass diese Maßnahme im Rahmen eines besonderen Naturschutzprojektes geschehen ist, können verschiedene Menschen nicht nachvollziehen. Wir haben jedoch in den letzten 20 Jahren erlebt, dass Frau Schreiner mit ihren Ideen, die zwar manchmal etwas schwer vermittelbar sind (z. B. Kamelrennbahn), äußerst gute Ergebnisse für den Umwelt- und Naturschutz erreicht hat, so dass die Maßnahmen „Herstellung ursprünglicher Landschafts-biotope“ von der Fachpresse sehr gelobt werden. – Mag sein, dass beim formalen Vorgehen ein Fehler gemacht worden ist, oder auch nicht! Wenn aber die Stadt Lingen von Landrat dann so massiv angegriffen wird – wie am 3. April in Meppen, dann hätte ich erwartet, dass der Ratsvorsitzende Hardke die Stadt einmal verteidigt! – Aber nein, das müssen dann die Grünen machen!

Wir begrüßen es, dass für die pädagogische Arbeit im Stadtteil Goosmannstan-nen /Neue Heimat der Zuschuss für die AWO erhöht wird. Wir halten die Arbeit, die in diesem und in anderen Stadtteiltreffs – aber auch im Jugendzentrum - geleistet wird, für außerordentlich wichtig!

Eine besondere Aufgabe der künftigen Stadtpolitik wird eine Neuorientierung in der Quartierplanung bekommen: Sowohl in älteren Stadtteilen wie in der Stroot, Damaschke, Laxten oder in Heukampstannen als auch in neu strukturierten Bereichen wie Reuschberge mit dem Emsauenpark sollten Rat und Verwaltung intensiver in eine Zukunftsplanung für die jeweiligen Quartiere einsteigen – natürlich unter Beteiligung der jeweiligen Ortsräte bzw. Bürgervereine. Auch das Programm „Jung kauft alt“, das wir ausdrücklich unterstützen, gehört in diesen Kontext.

Dieser Haushalt muss auch so manches Opfer mittragen, das zu Beginn der Haushaltsberatungen noch nicht bekannt war: Der Einsturz des Daches an der Turnhalle der Johannesschule und die Probleme an der Grundschule Bramsche sind neu als Kosten dazugekommen. – Die Baumaßnahmen schlagen ent-sprechend zu Buche, aber es muss eine schnelle Lösung finanziert werden.

Wir Grünen halten auch die Entwicklung im Bereich der Innenstadt (Nicht-Verkauf des Sparkassengebäudes, BVL, drohende Schließungen weiterer Geschäfte) für verbesserungswürdig. Hier fehlen Strategien, wie es tatsächlich zu der von allen gewünschten Innenstadtbelebung kommen kann. – Ähnliches gilt auch für den Bereich Tourismus!

Auch durch diesen Haushalt wird wieder Geld für neue Wohngebiete in allen mögliche Ortsteilen ausgewiesen: Dort ein neues Wohngebiet, dort und dort! Und dann ist es immer noch nicht genug. Wir versiegeln in Deutschland jeden Tag rund 66 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen neu. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch - von ca. 94 Fußballfeldern. Wir Grünen halten diese Siedlungspolitik für kurzsichtig und falsch, sie wird – auch aufgrund ihrer Folgekosten – nicht nur die Stadt immer weiter belasten, sondern letztlich auch bei Hausbesitzern älterer Immobilien zu einem deutlichen Wertverlust führen, letztlich eine hinterlistige Form der Enteignung!

Und damit kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt: Mit dem Ratsbeschluss Ende 2016 haben wir die Weichen gestellt für eine Wohnungsbaugenossenschaft und damit – so hoffen wir – für mehr bezahlbare Wohnungen für diejenigen, die nicht so viel Einkommen haben, die ggf. nur eine kleine Rente oder alleinerziehend sind.

Dieser Punkt, der sich auch im Haushalt 2017 seine finanziellen Konsequenzen zeigt, ist für uns Grüne letztlich ein ganz entscheidender Grund: Wir stimmen dem Haushalt 2017 zu!"

Es gilt das gesprochene Wort

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