Wir dürfen nicht warten, bis es zu ersten offenen Gewalttaten kommt

Rede zum Antrag „Mobile Beratung“

09.06.23 –

Sehr geehrte Ratsvorsitzende,
sehr geehrter Herr Oberberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Vertreter der Presse,
liebe Gäste,

der versuchte Massenmord durch einen Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale 2019
- da es fehlschlug ermordete der Täter wahllos 2 unbeteiligte Personen

der Anschlag in Hanau 2020, bei dem 9 Menschen mit Migrationshintergrund ermordet wurden
- der Täter erschoss daraufhin seine eigene Mutter und dann sich selbst

im Oktober 2022 brennen mehrere Flüchtlingsunterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern
- aus einem Gebäude bei Wismar werden 14 UkrainerInnen gerettet.
An der Tür gab es Hakenkreuzschmierereien

Das sind erschütternde Beispiele der Eskalation von Gewalt.

Die Täter dieser Anschläge und Morde kamen aus der Mitte der Gesellschaft. Sie waren Teil ihres jeweiligen sozialen Umfeldes. Es ist schwer zu ertragen, dass es so weit kommen konnte.

Natürlich ist es richtig, dass diese schrecklichen Ereignisse auf höchster politischer Ebene kontrovers diskutiert werden. Über Abschiebungen, Strafmaß oder Polizeibefugnisse spricht man aber erst nach den Taten. Es ist nicht alleine die Aufgabe der Staatsgewalt, den Schutz von Minderheiten zu gewährleisten. Der Staat schafft die Rahmenbedingungen dafür.

Die richtigen Antworten können doch nur wir hier vor Ort geben. Tagtäglich müssen wir uns frühzeitig dafür einsetzten, dass solche Eskalationen vermieden werden.

Durch unser Handeln, unsere Sprache – ja auch durch unser Schweigen – bestimmen wir selbst, in welcher Gesellschaft wir leben.

Es muss uns allen wichtig sein, dass wir jeden einzelnen Mitmenschen vor Diskriminierung, Hass und Gewalt schützen und achtsam - gerade auch mit Minderheiten - umgehen.

Wir leben in einer Zeit, in der die Vielfalt der Gesellschaft einige von uns vielleicht überfordert:

Es kommen geflüchtete aus fremden Ländern zu uns, deren Gebräuche wir nicht kennen -
Manche Religionen sind uns fremd.

Der Regenbogen ist das wunderbare Symbol von Vielfalt in der sexuellen Orientierung der Menschen unserer Gesellschaft. Unsere Gesetzte stellen ihre Lebensweise unter Schutz. Und das heute mehr denn je.

Es ergreifen auch immer mehr Frauen angebliche „Männerberufe“, Väter nehmen die „Erziehungszeit“ in Anspruch und gewählte VertreterInnen dieses Hauses haben das Recht auf Freistellung von der Arbeit, um ihrem Ehrenamt nachzukommen!

Dies alles sollten wir eigentlich gar nicht mehr erwähnen müssen, die Realität sieht aber allzu oft anders aus.

Denn es beginnt immer im Kleinen – manchmal auch unbewusst. Täglich werden mitten in unserer Gesellschaft einzelne Personen ausgegrenzt, beleidigt oder stigmatisiert.
MeinungsführerInnen beeinflussen ihr Umfeld und lassen ihre beleidigenden Floskeln zur Gewohnheit werden. Vieles kann verhindert werden, wenn wir alle aufmerksamer werden und für Gerechtigkeit eintreten. Auch Schweigen kann wie eine Zustimmung wirken.

Unser Bestreben muss also sein, sich aktiv für einen respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander einzusetzen.

An dieser Stelle kann eine jede Kommune – also auch die Stadt Lingen – ihren Teil beitragen!

In weiten Teilen des Emslandes gehen zur Zeit Anträge von unseren KollegInnen in den Stadt-, Gemeinde- und Samtgemeinderäten mit eben diesem Ziel ein. Wir freuen uns sehr darüber, dass sich zahlreiche Kommunen - von Papenburg bis Spelle - mit diesem wichtigen Thema befassen.

Da, wo sich die Menschen treffen, ihrem Sport und ihren Hobbys nachgehen oder Teil einer gemeinnützigen Aufgabe sind – da wollen sie sich geschützt und sicher fühlen.

Mit unserem Antrag wollen wir die Vereine und gemeinnützigen Organisationen in Lingen im Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung stärken, ein nachhaltiges Beratungsangebot zur Verfügung stellen und sie bei dieser gesellschaftlichen Verantwortung unterstützen.

Wie bereits erwähnt, setzt die Bundesregierung die Rahmenbedingungen. Dies geschieht beispielsweise durch die Förderung seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!". Das Projekt „Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie“ des Trägervereins WABE e.V. ist genau zu diesem Zweck Teil des Förderprogramms und unterstützt Kommunen und Vereine mit seiner Expertise.

Das hier beantragte Beratungs- und Informationsangebot ist mehrtätig ausgelegt, um ausführlich auf die Bereiche Sensibilisierung, Früherkennung, Opferschutz, Täteridentifizierung und Prävention eingehen zu können. Auch ist uns wichtig, dass die Vereine und gemeinnützigen Organisationen seitens der Stadt Lingen zur Teilnahme eingeladen werden. Eine Teilnahme an diesen Veranstaltungen verdeutlicht den verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema gegenüber ihren Mitgliedern.

Wir dürfen nicht warten, bis es zu ersten offenen Gewalttaten kommt. Die psychische Gewalt durch verbale Ausgrenzung oder auch Mobbing wiegt bereits schwer und erzeugt neue Opfer.

Neulich wurde ich Zeugin einer Unterhaltung. Es wurde die Frage aufgeworfen: „Was wurde eigentlich aus dem Kollegen, den man weg gemobbt hatte?“. Ich war sehr überrascht, dass niemand die Frage stellte: Was wurde eigentlich aus den Tätern?

In diesem Sinne danke ich Ihnen für ihre ungebrochene Aufmerksamkeit
und hoffe auf ihre Unterstützung für diesen wichtigen Antrag.

Vielen Dank!

Kategorie

Stadtratsfraktion Lingen

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