Rede von Michael Fuest zum Haushalt 2010

"Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
wenn wir heute - wiederum mit großer Verspätung - über den Haushalt 2010 entscheiden, müssen wir verschiedene Veränderungen in den Blick nehmen. Zum einen wird auf höchster Ebene immer drastischer gegen den durchaus richtigen Grundsatz, dass Kommunalpolitik nicht die Fortsetzung von Bundes- und Landespolitik, nur mit anderen Mitteln, ist, durch schwarz-gelbe Regierungen in Bund und Land verstoßen, so dass wir vor Ort die Auswirkungen immer deutlicher zu spüren bekommen. Im Bund werden von der FDP Steuergeschenke an diejenigen verteilt, die schon genug haben. Menschen, die die Leistungen wirklich benötigen, erhalten nicht einmal das Notwendigste, und dann werden noch Debatten gegen Hartz IV-Empfänger „losgetreten".

Das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz", das vor wenigen Wochen in Berlin verabschiedet worden ist, ist in Wahrheit ein „Schuldenbeschleunigungsgesetz", welches noch Generatio-nen abzuarbeiten haben. Ich nenne nur die Umsatzsteuer und die Regelungen für das Hotelge-werbe.

All das hat auch einiges mit uns hier in der Stadt Lingen zu tun. Ich habe im Februar 2009 in meiner Haushaltsrede gesagt, dass die weltweite Finanzkrise auch Lingen treffen wird und die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln werden. Das hat sich bewahrheitet und ist heute auch in allen Reden angeklungen. Gleichzeitig habe ich letztes Jahr betont, dass wir uns nicht von einer an sich „soliden Haushaltspolitik" verabschieden sollten. Ich habe mich damals bei unserer Kämmerin bedankt, „dass sie die Stadt vor Zockereien an der Börse und wackligen Wertpapieren bewahrt hat". Von dieser sinnvollen Linie wurde nun durch Mehrheitsbeschluss im Jahr 2009 leider abgewichen, in dem wir gesagt haben, wir dürfen grundsätzlich auch mit Derivaten handeln. Das ist aus Sicht der Grünen eine falsche Entscheidung und ein hohes Risiko.

Des Weiteren haben wir natürlich ein hohes Risiko, wenn wir, wie eben vorgetragen, schon 2009 viel Geld aus der Rücklage entnommen haben, wir auch weiterhin in diesem Jahr 2010 immer mehr Kredite aufnehmen müssen, wir keine freie Spitze mehr haben und wir die recht mutige Bewertung von 37,5 Mio. € für Gewerbesteuer hier heute mit verabschieden sollen. Das ist eine sehr mutige Vorgehensweise und widerspricht eigentlich dem, was wir in den letzten Jahren von der Kämmerei erlebt haben. Da wurde immer gesagt, wir sind ganz froh, wenn wir den Betrag kriegen, und in Wirklichkeit war eingeplant, dass 10 % zusätzlich eingenommen werden. Doch in diesem Jahr habe ich den Eindruck, dass es umgekehrt ist. Dieses hohe Risiko, was wir eingehen, hat auch mit diversen Projekten zu tun, die wir uns aufgebürdet haben oder die im Rahmen der Vorstellung, wie die Zukunft der Stadt aussehen soll, passieren sollte: Der Abriss der Kaserne für sehr viel Geld; der Emsauenpark, der uns wahrscheinlich auch weiterhin sehr viel Geld über Jahre und Jahrzehnte kosten wird. Die Frage ist, wer soll die vielen Grundstücke dort letztlich kaufen, wer soll da hinziehen? Es ist sicherlich für den ersten Abschnitt, für die ersten Grundstücke durchaus ein entsprechender Bedarf da, aber ...

Es geht weiter mit den Fragen zur Arena, jetzt für den alten Standort kostenmäßig
festgelegt auf 25 Mio. €. Wir Grünen sind mehrheitlich der Meinung, dass dieses Projekt zu groß für Lingen ist und mit enormen Folgekosten behaftet ist. Wir wären für eine vernünf-tige Renovierung der Emslandhallen gewesen, mit einem Ausbau im Bühnenbereich usw.

Einen weiterer Fehlschritt, einen Skandal, den wir feststellen müssen, ist die Waldrodung in Altenlingen. Wenn wir uns vorhin verschiedene Beiträge in der Debatte angehört haben, so haben wir uns auf den demographischen Wandel in Lingen noch nicht wirklich eingestellt.
Wenn man sich mal überlegt, was andere Städte zum Beispiel unternehmen, um ältere Stadtteile zu attraktivieren. Sie bieten Beratungen für die Bürger und Bürgerinnen an, die in diesen Häusern leben, die für Alleinstehende viel zu groß sind. Wenn man sieht, wie dort alte Bezirke reaktiviert werden, dann haben wir überhaupt noch nichts in dieser Hinsicht unternommen - wenn wir von einem Förderprogramm mal absehen.

Ein weiterer Punkt, der nicht ausreichend thematisiert worden ist und immer mehr auffällt, gerade wenn wir darüber reden, wie toll Lingen ist, sind die Leerstände der Geschäfte in der Innenstadt. Wenn man durch verschiedene Bereiche geht, durch verschiedene Straßen, stellt man fest, dass sich dort ein leerstehendes Geschäft neben dem anderen befindet. Eine Ausnahme ist sicherlich die Mall, aber das kann es ja nicht sein, dass andere Bereichen wie die Burgstraße hinten runterfallen.

Wir haben, das ist mehrfach heute angesprochen worden, keinen wirklichen ÖPNV.
Selbst die Seniorenvertretung hat ausdrücklich in einer Umfrage gesagt, es sei ein Armutszeugnis, was hier bezogen auf den ÖPNV laufe. Wir haben jetzt einen riesigen Busparkplatz für viel Geld gebaut bzw. bauen lassen, der noch nicht mal fertig ist, aber wir haben keinen ÖPNV, der wirklich den Namen verdient.

Wir haben seit Jahren das Versprechen, dass wir in Lingen ein Wasserkraftwerk in
Hanekenfähr bekommen. Seit über 5 Jahren sollte das gebaut werden. Inzwischen hört man ja, vielleicht im Jahr 2010, 2011. Es wird also immer weiter hinausgezogen. Das sind Maßnahmen, die sich rentieren - im Gegensatz zu vielem anderen, worüber wir hier heute reden und zu entscheiden haben. Wir Grüne sind der Meinung, dass rentable Maßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt der richtige Weg sind. Ich denke, wir haben auch einige Beispiele, wo die Entwicklung gut läuft. Die energetische Sanierung von Schulen ist ein vernünftiger Ansatz, da haben wir Geld in die Hand genommen, um etwas zu tun. Und auf der anderen Seite muss man auch unsere Kläranlage loben. Die Betriebslei-tung dort versucht seit Jahren, im Prinzip „aus Scheiße Geld zu machen", also aus Fäkalien Energien zu erzeugen und Strom zu gewinnen. Das gelingt auf eine sehr vorbildliche Art und Weise sowie sehr umweltfreundlich. Wir haben im Werksausschuss auch beschlossen, dass es in dieser Richtung weitergeht und dass dort auch ein vernünftiges Konzept dahintersteht.

Wir werden auch ganz besonders auf eine nachhaltige Stadtentwicklung achten, und
das heißt bei uns, dass die Reduzierung des Flächenverbrauchs auch für Lingen zu beachten ist. Gerade im Hinblick auf den fehlenden Anschluss der Wohngebiete an den ÖPNV wird die Bedeutung einer vernünftigen Infrastruktur deutlich.

Viele dieser Punkte geschehen auf Kosten der Umwelt, wie man in Altenlingen sieht.
Der neu ausgerufene „Energiestandort Lingen" wird wenig in Richtung „Regenerative
Energien" weiterentwickelt, eine Möglichkeit wäre z.B. die Geothermie. Ich finde es gut, wenn im neuen Ärztehaus die Geothermie genutzt wird. Ich denke, wir können das an vielen anderen Stellen auch machen, um letztlich etwas für die Zukunft zu tun.

Und natürlich möchte ich nicht vergessen, die Übernahme der Anteile an den Stadtwerken von der RWE zu erwähnen. Auch das wäre letztlich eine sich lohnende Maßnahme für die Zukunft der Stadt.

Wir kritisieren als Grüne, dass der Haushalt 2010 zu wenig nachhaltige Entwicklung
hat, und deswegen lehnen wir ihn ab."

18.03.2010

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